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Vögel und Feuerwerk

Mit Hilfe von Minikameras verfolgen wir seit über einem Jahrzehnt das Schlafverhalten von Singvögeln in Nistkästen – natürlich auch während der Silvesterfeuerwerke. Inzwischen haben wir aus zahlreichen Jahreswechseln Erfahrungen, auch aus dem Lockdown-Silvester 20/21, das einen Vergleich mit den „Normalfeuerwerken“ der Vorjahre erlaubt. Unsere Beobachtungen dazu haben wir in zwei Publikationen verarbeitet.

Pyrotechnik kann Vögel und andere Wildtiere erheblich stören

Feuerwerk verursacht Licht, Lärm und druckmechanische Effekte. Alle drei können wildlebende Tiere stören und bei Wasservögeln, Kranichen, Krähen oder Möwen Massenfluchten auslösen, z. B. an Seen und Küsten. Die massiven Stör- und Vertreibungseffekte von Pyrotechnik sind hinreichend bekannt und werden zur Vergrämung von Vögeln (Greifvögel, Stare, Rabenvögel) in der Landwirtschaft, auf Müllkippen, Flugplätzen oder an Schlafplätzen von „unerwünschten“ Vogelarten (Saatkrähen, Kormorane) eingesetzt. Bei häufiger bzw. regelmäßiger Anwendung nimmt der Vertreibungseffekt wegen Gewöhnung jedoch rasch ab. Einmalige Ereignisse wie an Silvester haben jedoch eine hohes Störpotenzial.

 

 

 

 

 

 

Entspannt schlafende Kohlmeise in normaler kugelförmiger, thermoregulatorisch optimaler Schlafposition.

 

Wir haben das Schlafverhalten kleiner, in Höhlen übernachtender Kohl- und Blaumeisen und Zaunkönige über viele Jahre auch in Silvesternächten beobachtet. Da sie keine Gewöhnung an Feuerwerk haben, führt Silvesterfeuerwerk regelhaft zum Erwachen und zur Beunruhigung bis zu teils heftigen Panikreaktionen. Die Schlafzeit wird dadurch um ca. eine Stunde verkürzt (Verlust von sieben Prozent des Nachtschlafes). Bei Wasservögeln in Niederlanden kam es zu Massenfluchten und einer Dauer von ca. 45 Minuten, bis sich die Vögel wieder beruhigten.

 

 

 

 

 

 

Vom Feuerwerklärm erwachte Kohlmeise, die energiesparende Schlafposition ist aufgegeben, dadurch erhöhte Energieverluste.

 

 

 

 

 

 

Panikreaktion mit Flucht an die Kastenwand bei besonders lauten Knallereignissen (90-100 dB(A)), ein fluchtartiges Verlassen der schützenden Höhle konnten wir nicht beobachten, wird jedoch bei anderen Arten in der Literatur beschrieben.

 

Problematischer als das Erwachen selbst dürften die Energieverluste durch Aufgeben der thermoregulatorisch günstigen Ruheposition sein. Mittwinternächte sind besonders kritisch: Den Vögeln stehen nur acht Stunden Tageshelligkeit zur Nahrungsaufnahme zur Verfügung, die Nächte sind lang und kalt. Schon bei ungestörtem Schlaf können Energieverluste bei Umgebungstemperaturen unter 0°C bei kleinen Arten wie dem Wintergoldhähnchen das Überleben gefährden. Fluchtverhalten wie bei den Wasservögeln kostet zusätzliche Energie.

Geringere Störung im Lockdown-Silvester

An Silvester 2020/21 fand im Lockdown ein „reduziertes“ Feuerwerk statt und bot die Möglichkeit eines Vergleiches zum Normalfeuerwerk der Vorjahre. Am Beobachtungsort war ein geringerer Grundlärmpegel, eine kürzere Gesamtdauer (17 vs. 35 Minuten), keine richtige Champagnerpause (so wird das vorübergehende Abflauen des Feuerwerks gegen 0:15 Uhr bezeichnet), geringere Lärm- und Lichteffekte und weniger „Dauerfeuer“ durch Böllerbatterien festzustellen.

Die Singvögel in Nistkästen reagierten auf das Feuerwerk wieder mit typischer Beunruhigung, allerdings war die Schlafunterbrechung um etwa zwei Drittel kürzer (16-18 vs. 45 Minuten) als in Normalsilvesternächten. Wachheitsphasen treten in ungestörten Normalnächten so gut wie nie auf, in normalen Silvesternächten in erheblichem Ausmaß mit anhaltender Wachheit bis hin zu Flucht- und Panikreaktionen. Die Lockdown-Silvesternacht lag zwischen diesen beiden Extremen.

Unsere Beobachtungen zeigen klar, dass auch in einer geschützten Höhle übernachtende Vögel vom Feuerwerkslärm betroffen sind, beunruhigt oder sogar panisch werden. Neben der Ruhestörung spielt der Energieverlust während des Wachseins die größere, in kalten Winternächten vielleicht sogar die überlebensentscheidende Rolle, wenn die Vögel ihre energiesparende Kugelform aufgeben oder gar flüchten. Die neuen Lockdown-Ergebnisse untermauern den Zusammenhang zwischen Feuerwerks-Intensität und Wachheit.

 

Feuerwerk, aber mit Rücksicht

Oft wird im Zusammenhang mit Feuerwerk vorrangig an Jagdwild und Haustiere gedacht. Aber vermutlich sind auch Millionen übernachtende Vögel und andere freilebende Wildtiere von dieser eigentlich vermeidbaren, anthropogen verursachten Störung betroffen. Wird Feuerwerk zeitgleich flächendeckend abgefeuert, sind sogar Wirkungen auf Populationsebene nicht auszuschließen. Um Haus-, Nutz- und Wildtiere zu schonen und Menschen vor Lärm und Luftschadstoffen zu schützen, ist ein flächendeckendes Feuerwerk an Silvester kritisch zu hinterfragen.

Auch wenn es noch weitere detailliertere Erkenntnisse zum ausgelösten Stress bei Wildtieren braucht, zeichnen sich bereits jetzt Möglichkeiten ab, Feuerwerk mit Rücksicht auf Mensch und Natur zu zünden:

-          Verzicht auf Feuerwerk (sollte in Pandemiezeiten mit zeitgleich tausenden teils schwer an der Lunge Erkrankten oder inzwischen Verstorbenen eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein!)

-          Lärmarme Alternativen wie Fackeln, Kerzen, bengalisches Licht

-          Emissionsärmere, umweltfreundlichere Feuerwerkskörper können laut Industrie produziert werden

-          Für Mensch und Tier unbedenkliche Zonen für das Abbrennen von Feuerwerk identifizieren. Mancherorts wurde dies aus Rücksicht auf besondere Natursituationen bereits erfolgreich praktiziert. Ein gemeinsam in unbedenklichen Zonen gestartetes Feuerwerk kann durchaus ein exklusives Event sein!

-          Schutzwürdige Zonen, die nicht beschossen oder überflogen und zu denen Mindestabstände eingehalten werden sollten sind z. B. Schutzgebiete, Wälder, geschlossene Baumbestände und Gewässer. Während für Singvögel eher der Lärm ein Problem ist, ist es für Wasservögel das sich auf Wasserflächen reflektierende Licht.

„Und außerdem: Die Natur ist voller Farben auch ohne Feuerwerk! Mach einfach die Augen auf und genieße!“  (Zitat Tierschutzbeirat Rheinland-Pfalz 2017)

 

Bosch, S. & P. Lurz (2019): Reaktionen von in Höhlen übernachtenden Singvögeln auf Feuerwerk. Ornithol. Mitt. 71: 79-88.

Bosch, S. & P. Lurz (2021): COVID-19-Lockdown führt zu kürzerer und weniger intensiver Schlafstörung bei in Höhlen übernachtenden Singvögeln während des Silvester-Feuerwerks. Vogelwarte 59: 107-111.